Sommer auf der Insel Iž
Der Sommer auf der Insel ist anstrengend.
Seit meinem letzten, richtigen Eintrag ist viel Zeit vergangen … Ich hatte mehrmals den Versuch gestartet, wieder einmal meine Erlebnisse von hier festzuhalten, doch meistens scheiterte ich, weil ich einfach zu erschöpft oder zu müde war. Heute ist ein freier Tag, an dem ich mir endlich Zeit zum Schreiben nehme. Vieles, das ich nun erzählen werde, hätte eigentlich in einzelnen Blog-Einträgen Platz gehabt.
Warum ist der Sommer so anstrengend?
Erstens lebten wir ungefähr drei Wochen in der Villa Lastavica gleich unten am Hafen in engstem Raum sehr nahe aufeinander. Wir teilten uns als kleine vierköpfige Familie zwei kleine Zimmer, wobei wir die letzten Tage nur in einem leben konnten. Für die Kinder war es einerseits toll, so nahe am Meer zu sein und andererseits auch anstrengend, weil wir so jede Mahlzeit mit den anderen einnahmen. Die Kinder kamen bei so vielen Leuten gar nicht richtig zum Essen oder aber nahmen schlechte Gewohnheiten anderer an. Überhaupt waren wir in der Situation unten bei den Häusern immer irgendwie in die Gemeinschaft einbezogen, das braucht Energie und zur Ruhe kommt man kaum.
Zweitens ist die Hitze momentan vom Mittag bis etwa um vier Uhr unerträglich. Es ist so heiss, das man eigentlich nur im Zimmer „Siesta“ machen kann oder sich ins Meer abkühlen gehen muss.
Drittens störte der Lärm der spielenden Kinder oder der spazierenden Touristen von draussen. Jeden Abend (auf eine eher unangenehme Weise) begleitete uns der Lärm in den Schlaf. Im Sommer lärmt es mindestens bis um zwei Uhr morgens.
Viertens herrscht bei Maslinova Gora ein noch regeres Kommen und Gehen als sonst. In der Sommerzeit schauen viele Leute vorbei, kommen in die Ferien oder wollen sonst etwas wissen. Auf der Barbinja standen in den letzten Wochen ununterbrochen Zelte von Leuten, die hier zu Besuch waren oder hier Ferien machten.
Fünftens existiert im Sommer kein klarer Tagesablauf und die Essenszeiten, die ein möglicher Fixpunkt im Tag darstellen könnten, werden nicht immer eingehalten. Ein gemeinsames Morgenessen fand selten bis nie statt. Des Weiteren muss der Jugendliche durch den Tag beschäftigt werden, weil er sich sonst langweilt.
Sechstens fängt es schnell einmal an zu „menscheln“ bei so vielen Leuten, die so nahe aufeinander wohnen, was wiederum zu unnötigen Streitereien um Kleinigkeiten führt. Ich freue mich darauf, wieder ins René-Haus zu ziehen.
Wer war denn zu Besuch?
Im Juli und im August waren sehr viele Leute auf der Insel und bei Maslinova Gora zu Besuch …
- Eine Woche lang war die Familie des Jugendlichen zu Besuch. Der Jugendliche verbrachte eigentlich die ganze Woche mit seiner Familie. Ich fand es spannend, seine Eltern und seine jüngere Schwester kennenzulernen.
- Eine Woche war die jüngere Schwester meiner Partnerin mit ihrem Freund zusammen auf Besuch. Sie übernachteten auf der Barbinja und schauten manchmal auch zu unseren Kindern.
- Auch die Familie von René war etwa für zwei Wochen anwesend. Ich freute mich, seine Frau und seinen fünfzehnjährigen Sohn kennenzulernen, denn schliesslich dürfen wir in ihrem Haus wohnen während meiner Zivildienstzeit. René ist bekannt für seine indische Kochkunst, so kamen wir mehrere Male in den Genuss, indische Speisen und Mahlzeiten zu essen. Sie waren jeweils sehr lecker!
- Auf der Barbinja weilte für etwas mehr eine Woche eine Familie, die irgendwie mit Maslinova Gora zusammenhängt und die Leiterin sehr gut kennt.
- Vor einigen Tagen ist noch die Freundin des Schreiner-Zivis angekommen, die bis etwa Mitte Monat bei uns weilen wird.
- Auch ist ein weiterer Zivi angekommen. Ich nenne ihn hier im Blog den Umwelt-Zivi, weil er Umwelttechnologie studiert. Er wird wohl bis Ende Januar bei uns bleiben.
- Meine ältere Schwester und ihr Freund machten auch einen kurzen (und heftigen) Abstecher auf die Insel.
- Eine Woche lang war ein Schweizer Jugendlicher bei uns in den Ferien, der auf dem Berghof Stärenegg aufgewachsen ist. Er hat vor Kurzem die Autoprüfung bestanden und durfte nun zum ersten Mal alleine mit dem Auto in die Ferien fahren. Mit dieser Reise sollte er unter anderem auch erfahren, wie viel das Autofahren kosten kann.
- Eine Woche kam noch die ältere Schwester des Jugendlichen alleine zu Besuch. Sie hat zwar in einem Zimmer weg von unseren Häusern gewohnt, war aber während dieser Woche eigentlich auch Teil der Gemeinschaft. Sie half mit, wo sie nur konnte.
Was machen meine Kinder?
Meinen beiden Töchtern gefällt es sehr hier auf der Insel. Sie verbrachten Mitte Juli Woche einige Nächte auf der Barbinja und schliefen nachts unter freiem Himmel. Ihnen gefällt es sehr, so nahe bei den Tieren zu leben. Durch den Tag sind sie meistens im Meer am Baden. Während beide zu Beginn noch sehr grossen Respekt vor dem Wasser hatten, bringen wir sie jetzt kaum mehr aus dem Wasser, wenn sie einmal am Planschen sind. Die ältere Tochter wagt sich schon alleine mit den Schwimmflügelchen ins offene Meer, auch bei leichtem Wellengang. Die jüngere Tochter ist am Erforschen ihres Gleichgewichtssinns. Sie versucht, ebenfalls mit Schwimmflügelchen, sich am Ufer mit beiden Händen am Boden und mit den Füssen schwebend im Wasser fortzubewegen. Am 12. August feierten wir den zweiten Geburtstag meiner jüngeren Tochter. Einen Tag später sagte sie zum ersten Mal „Ich!“ und meinte damit sich selbst. Sie vermisst übrigens die Jugendliche sehr, die uns anfangs Juli verlassen hat, ständig sagt sie ihren Namen und dann „Auto, weg!“.
Was lief alles in letzter Zeit?
Am zwanzigsten Juli feierte ich meinen Geburtstag ausgiebig. Ich bin erst 27 Jahre alt und meine ersten weissen Haare (oder sind es nur graue?) werden immer zahlreicher … Am Abend gingen wir zusammen auswärts essen, während die Leiterin von „Maslinova Gora“ auf die Kinder schauten. Meine Partnerin und ich warfen uns zu diesem Anlass unsere schönsten Kleider, was wohl für viele Leute ein relativ ungewohnter Anblick war.
Unser Gerbversuch ist kläglich gescheitert. Beide Felle sind verwest. Der Schreiner-Zivi und ich werden das Gerben aber noch einmal versuchen nach der nächsten „Metzgete“. Jetzt sind wir auch im Besitz eines Buches mit dem Titel „Gerben“, in welchem klare Anweisungen zum Gerben von Hand zu finden sind. Dank gebührt meiner meiner Schwester und der Freundin des Schreiner-Zivis, welche uns zum Buch verhalfen, das nun in doppelter Ausführung vor uns liegt.
Der Schreiner-Zivi, meine Partnerin und Renés Sohn haben drei Türen fertig gebaut. Das ist eine grosse Leistung, wenn man die rudimentäre Einrichtung der Werkstatt mit den einfachen Werkzeugen und Maschinen kennt.
Letzte Vollmondnacht unternahmen der Schreiner-Zivi, seine Freundin, meine Partnerin und ich eine Vollmondwanderung. Wir liefen etwa um Mitternacht auf den höchsten Berg der Insel. Der Berg namens Korinjak ist nur gerade 168 Meter hoch. Zuoberst genossen wir zu selbst gemachtem Wein aus einer Pet-Flasche (auf Deutsch: „Fusel“) ein wunderschönes 360°-Panorama. Aufgrund des hellen Monds konnten wir ziemlich weit in die Ferne sehen. Auch die silbrige Reflektion des Monds auf dem Meer waren wunderschön anzusehen von so hoch oben (Eh ja, immerhin fast zweihundert Meter über Meer!).
Im Juli und August findet auf der Insel jeweils der „Ižer Kultursommer“ statt. In dieser Zeit gibt es viele Feste und auch Ausstellungen im Kulturdom in Veli Iž. Ich half bei einer Foto-Ausstellung mit, die ganze Sache einzurichten und lieh dafür auch meinen Beamer aus. Eine junge Frau stellte ihre Abschlussarbeit ihres Kunststudiums aus.
Wir erlebten auch das wichtigste Fest auf der Insel, das „Iški Kralj“ (auf Deutsch: Ižer König). Jedes Jahr wird ein einheimischer Mann zum König von Iž gekürt und dazu gibt es ein grosses Fest. Abends gegen zehn liefen drei kleine Fischerboote langsam und festlich beleuchtet in den Hafen. Auf dem linken Boot befanden sich einheimische, weibliche Jugendliche in traditioneller Tracht, in der Mitte stand der König aufrecht auf dem Bug und rechts im dritten Boot standen die männlichen Jugendlichen, auch in der hiesigen Tracht, und bliesen zur langsamen Einfahrt feierlich in Hörner. Der Brauch verlangt es dann, dass der König zur Bühne im Dorfzentrum marschiert, ohne dass er dabei den Boden berührt. Das heisst, ihm werden jeweils Schaf-Felle vor die Füsse gelegt, damit er seine Füsse nie richtig auf den Boden setzen muss. Nach Angaben der Einheimischen ist der Brauch schon über dreihundert Jahre alt. Später wird dann in einem Spektakel ein neuer König für ein Jahr gewählt. Früher war es so, dass der König von Iž die ganze Insel zu einem Essen einladen musste, heute muss er nur noch seine engsten Freunde einladen. Früher war es auch meistens der wohlhabendste Mann der Insel, heute muss dies nicht unbedingt mehr der Fall sein. Einer der Einheimischen erklärte mir den Urpsrung des Brauchs. Seiner Meinung nach fanden die Leute von Iž früher einmal: „Wenn Grossbritannien eine Königin und einen König hat, dann können wir das auch …“
Ende Juli verreiste die Leiterin von Maslinova Gora für zehn Tage in die Schweiz und wir anderen waren während dieser Zeit wieder einmal auf uns selbst gestellt. Die Zeit war sehr anstrengend. Es ist erstaunlich, wie viel ihre Anwesenheit in der Gemeinschaft ausmacht. In den zehn Tagen, in welchen sie abwesend war, merkten wir, wie viel sie bewirkt und wie viel Wert sie als eine Art „Chefin“ hat, obwohl sie wohl ihre Funktion nie als „Chefin“ wahrnehmen würde. Jedenfalls waren wir alle sehr froh, als sie letzten Montag wieder zurückkehrte.